Wohnen statt Großparkplatz auf der Talavera

Erst 2022 war die Talavera in aller Munde: Bei einem Bürgerent-scheid hatte sich eine Mehrheit für den Fortbestand des kosten-freien Parkens auf dem Würzburger Großparkplatz und Festplatz entschieden. Doch ist ein Grundstück von 47000 Quadratmetern im Herzen der Stadt nicht viel zu wertvoll zum Parken?
Die These ist gewagt. „Doch man muss und darf sie weiterden-ken“, sagt Stefan Sauer, Dozent im Studiengang „Geovisualisie-rung“ an der Technischen Hochschule Würzburg Schweinfurt (THWS). Zumal sich angesichts Wohnraummangels und Klima-krise deutlich mehr Argumente für eine Umnutzung des Groß-parkplatzes finden als für den Erhalt. Derartige Gedankenspiele kennt man auch bei der Stadt Würzburg: „Natürlich ist die Idee eine Provokation“, sagt Peter Wiegand vom Fachbereich Stadt-planung. Doch der Bürgerentscheid habe „eben nur einen Mini-Aspekt des Problems herausgegriffen“, und es brauche den Mut, weiter zu denken.

Studierende der Geovisualisierung entwickeln Zukunftskonzepte für die Tala-vera (Foto: Anja Legge)
Bekannt für praxisnahe Ausbildung hat Dozent Stefan Sauer die Aufgabe an seine Studierenden weitergegeben. Im Rahmen der projektbezogenen Geovisualisierung im vierten Semester sollten sie ein städtebauliches Konzept für die Talavera entwickeln und dabei die Interessen der Bürger sowie Ökologie, soziale Gerech-tigkeit und Zukunftsorientierung berücksichtigen. Von vornherein sei klar gewesen, dass es „nicht einfach ist, die vielen konkurrie-renden Nutzungen unterzubringen“, kommentiert Sauer. Den-noch hätten sich die 18 Studierenden tapfer geschlagen und eine Fülle unterschiedlicher Konzepte vorgelegt. Anfang Juli wurden die Projektarbeiten nun unter dem Titel „Ein Stadtteil entsteht – Talavera 2023“ vorgestellt und von den Projektpartnern Architekt Matthias Braun sowie Peter Wiegand und Uwe Kömpel vom Fachbereich Stadtplanung kommentiert.

Die meisten Entwürfe wollen einen Brückenschlag zwischen Wohnen, Gewerbe, Parken und Erholung. Fast alle wünschen sich mehr Klimafreundlichkeit, mehr Grün, mehr Nachhaltigkeit und moderne Energietechnik. Ein Park für Freizeit, Erholung und Sport – gerne auch an einem Bachlauf oder Wasserflächen – tauchen so fast überall auf. Einige Entwürfe schlagen einen be-wussten Grüngürtel-Anschluss vor, bei dem die Talavera als feh-lendes Zwischenstück zwischen Ringpark und LGS-Gelände fun-giert. Der Parkflächenbedarf wird meist in ein Parkhaus verlagert oder gleich ganz in die Tiefgarage. Wohnraum verwirklichen die Studierenden in unterschiedlicher Intensität und Optik: Mit stu-fenartigen Gebäuden und begrünten Dachterrassen, die sich um das Talavera-Schlössle gruppieren. Als organische Rundhäuser, luxuriöser Wohnstandort in weitläufiger Parkanlage, hochverdich-tete Wohnkomplexe oder moderner sozialer Wohnungsbau auf dem Parkdeck. Andere Entwürfe sind inspiriert vom platzsparen-den Wabenbau der Bienen oder entwerfen eine Würzburger Ver-sion der Kopenhagener „Mountain Dwellings“ mit Tiny Houses auf terrassiertem Gelände. Solche Bilder wecken bei den Stadt-planern Sehnsucht, „sie machen neugierig“, so Wiegand. Einem Entwurf mit Parkhaus und großen Wohngebäuden rund um Grün- und Wasserflächen bestätigt man gar „große Nähe zur Realisierbarkeit“.

Angesichts vieler Kombi-Lösungen erscheinen gerade auch die Arbeiten spannend, die sich für einen Aspekt entscheiden. Wäh-rend die meisten Kiliani auf die Mainwiesen verlagern, wollen zwei den angestammten Festplatz erhalten und aufwerten. Durch eine Überbauung der Mainaustraße und Promenaden-Treppen könnte zudem ein Anschluss an die Mainwiesen entste-hen. Eine Studentin wagt den Schritt zur autofreien Stadt und er-schafft einen „Lebensraum Talavera“ mit Bachlauf, Teich, Wild-blumenwiese, Spiel- und Sportplätzen, Kulturangebot und Bier-garten. Einen Gedanken wert sind auch überraschende Details in einigen Arbeiten wie die Tiefgarage mit Schaufenstereffekt oder der Aussichtsturm statt Riesenrad.

Für die Betreuer zeigen die Arbeiten „das komplette Portfolio menschlicher Bedürfnisse“. Ob sie real funktionieren, sei „erst-mal zweitrangig“. Aber „sie triggern und lösen Reize aus“, so Wiegand. Die Impulse eröffnen für ihn nicht nur „eine komplett andere Perspektive und brechen gewohnte Denkstrukturen auf, sondern lösen vielleicht sogar so manche Diskussion aus“, hofft der Stadtplaner.

Anja Legge

Die Plakat-Entwürfe können jederzeit online unter https://geovisualisierung.com/microsite/talavera2023/ angesehen werden.

Auf seinem Blog www.geovisualisierung.com berichtet Stefan Sauer von zahlreichen weiteren realen Ideen in virtuellen Welten.

Auf der Homepage der THWS ist die Pressemeldung über das Talavera-Projekt ebenfalls zu finden: https://www.thws.de/service/news-presse/pressemeldungen/thema/wohnen-statt-grossparkplatz-auf-der-talavera/

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