Wie ist das mit der Auferstehung?

„Er ist auferstanden; er ist nicht hier!“ Mit nüchternen, ja ganz selbstverständlichen Worten spricht der Evangelist Markus in Kapitel 16 seines Evangeliums vom Unglaublichen, nämlich der Auferstehung des gekreuzigten Jesus von Nazareth von den Toten. Doch was hier geschildert wird, scheint bis heute aller menschlichen Erfahrung zu widersprechen, es wirkt geheimnisvoll und unverständlich. Scharen von Theologen diskutieren seitdem über das Zentrum des christlichen Glaubens, und auch ganz normale Christenmenschen haben so ihre liebe Not mit dem Thema. Angst vor dem Unerklärbaren müssen Eltern und Großeltern an Ostern dennoch nicht haben.

Für den Würzburger Fundamentaltheologen Prof. Dr. Matthias Remenyi ist die Auferstehung nämlichgar nicht so unerfahrbar, sondern hat einen sehr realen Bezug zum Leben. „Wir alle machen doch Erfahrungen des Scheiterns, der Niederlage, des Abbruchs, der Unvollkommenheit, des Todes. Wir sterben viele kleine Tode in unserem Alltag“, erinnert er. Und zugleich gebe es immer wieder „Erfahrungen der Auferweckung, des unerwarteten Glücks, des Gelingens, der Sinnhaftigkeit und der Ganzheit“. So wie die kleinen Niederlagen „Vorausbilder des Todes“ seien, seien die Erfahrungen glückenden Lebens „Vorerfahrungen dessen, was wir Auferweckung nennen“, ist er überzeugt. Die Hoffnung auf Auferweckung ist deshalb für ihn „Sehnsucht und Hoffnung auf eine Vollendung jenseits aller Abbrüche und über alle Abbrüche hinweg“.
Weil der Mensch aber weder über den Tod noch die Auferstehung gesicherte Erkenntnisse habe, greife er zu Bildern für das Unbeschreibliche. „Das schönste und am leichtesten nachvollziehbare Bild für diese Hoffnung auf einen neuen Anfang nach Ohnmacht, Passivität, Abbruch und Ende ist das Sich-Erheben aus dem Schlaf“, erklärt er weiter und schlägt so den Bogen vom Alltag in die Spiritualität.

Zweifellos, der Freude der Auferstehung gehen grausame Bilder voraus. Sollte man den Karfreitag in der Kinderbibel also besser überblättern? Nein, sagt Matthias Remenyi. Denn der Tod ist schließlich von Anfang an Teil der kindlichen Erfahrungswelt – ganz egal ob das nun die tote Fliege, das geliebte Haustier oder ein naher Verwandter ist. Obwohl Kinder bis zum 7. Lebensjahr kein klares Konzept vom Tod, seiner Unumkehrbarkeit und Endgültigkeit haben, verstünden sie „ganz intuitiv, was da passiert“. Sehr genau erinnert sich Matthias Remenyi daran, wie die dreijährigen Kinder seines Schwagers um den aufgebahrten Leichnam der Großmutter herumgesprungen sind und gefragt haben, wo jetzt die richtige Oma sei. „Sie haben gewusst: Der Leichnam, der da liegt, ist nicht die Oma. Und das ist genau das, was Auferweckung ausmacht.“

Statt komplizierter theologischer Erklärungen und ausgefeilter Katechesen hat Familienvater Remenyi seine Töchter von Anfang an in die Kar- und Osterliturgien mitgenommen. Eine gut vorbereitete, in sich stimmige, authentische Feier ohne künstliche Überzeichnung und Theatralik erlaube ein sinnliches Eintauchen und vermittle auf ganz einfache Weise den Kern der Osterbotschaft, die der Theologe Prof. Jürgen Moltmann auf die Formel „Im Ende – der Anfang“ auf den Punkt gebracht habe.

Kinder – so Remenyis Erfahrung – würden ganz intuitiv spüren, dass Jesus in der Auferstehung derselbe und doch zugleich ganz anders ist: Der, der tot war, lebt und steht in seiner ganzheitlichen Gestalt vor uns. Und zugleich ist der Auferstandene verwandelt, verklärt, ohne Schmerz. Das in der biblischen Tradition überlieferte leere Grab ist für ihn eine Illustration dessen, was mit Ostern gemeint ist: „Es gießt die unglaubliche Erfahrung der Auferstehung in ein fassbares Bild.“ Die seit Jahrzehnten unter Experten andauernde Diskussion darüber, ob das Grab tatsächlich leer oder vielleicht doch voll war, spielt für ihn nicht die Hauptrolle: „Am Ende bleibt die Hoffnung auf einen neuen Leib und ein neues Leben“, bilanziert er.

Dass immer mehr Menschen mit dieser Hoffnung immer weniger anfangen können, ist für Matthias Remenyi ein Symptom der Gegenwart. „Das Phänomen religiöser Indifferenz ist die große Herausforderung von Verkündigung in einer säkularen Zeit. Glaube hat keine Relevanz, Glaube fehlt den Menschen nicht.“ Und weil auch Kinder und Jugendliche immer weniger von der Botschaft Jesu erfahren, funktioniere die lange praktizierte Korrelation, also die Verknüpfung von Lebenserfahrungen mit biblischen Inhalten, kaum noch.

Umso wichtiger sind persönliche Erfahrungen, „und zwar Erfahrungen, die eine Irritation mit sich bringen“. Ostererfahrungen, wie sie die Frauen am Grab gemacht haben, sind „Faszinosum und Tremendum zugleich“, weiß der Theologe. „Die Begegnung mit einem gütigen, liebenden und barmherzigen Gott ist eben keine wohlige Kuschel-Erfahrung, sondern rüttelt mich wach, eröffnet neue Zusammenhänge, ja kann mein Leben vom Kopf auf die Füße stellen.“ Zu solchen Schlüsselmomenten kann jeder Moment im Alltag werden – etwa, wenn ich mich entgegen aller Erwartung nach einem Streit wieder mit dem besten Freund versöhne, mir eine unüberwindbare Aufgabe gelingt oder ich mich vor einer beeindruckenden Landschaft seltsam ganz fühle. Alles, was es dazu braucht, ist ein offenes Herz.

Anja Legge

Das gesamte Interview lesen Sie in der Juli-Ausgabe des Münsterscharzacher RUF in die Zeit.

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