„Patentlösungen gibt es nicht!“

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„Patentlösungen gibt es nicht!“

Seit Jahren schon ist die Abtei Münsterschwarzach mit ihrem regenerativen Energieprojekt ein Vorreiter in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit. Mit Photovoltaik, Wasserkraft, Biogas und Holzhackschnitzel konnten die Mönche den CO2-Ausstoß auf unter null reduzieren und decken ihren Strombedarf komplett durch Ökostrom. Doch reicht das tatsächlich aus? Dieser Frage ist die Abtei im vergangenen Jahr mit Hilfe der Aachener Firma Greenzero nachgegangen.

Auslöser war das mehrdimensionale Konzept der Umweltneutralität von Greenzero-Gründer Dr. Dirk Gratzel. Dabei werden nicht nur das CO2-Potential, sondern alle Umweltwirkungen betrachtet. „Uns war von Anfang an klar, dass das viel Arbeit bedeutet“, berichtet der Vorsitzende des Ökorats Pater Maximilian Grund. Dennoch habe man bei der Vorstellung vor der Gemeinschaft intensiv dafür geworben. „Wir wollten wissen: Wo stehen wir in der Gesamtschau wirklich? Wo sind die Hotspots? Und was können wir künftig tun?“

Die Struktur der Abtei mit Konvent, 30 Betrieben, rund 300 Mitarbeitenden sowie 750 SchülerInnen und Gästen legte eine zweigleisige Betrachtungsweise nahe. Für das Klosterdorf wurden mit Hilfe der Betriebsleiter und Kostenstellen große Datenmengen zusammengetragen. „Alles, was im Berichtszeitraum 2021 gekauft, hergestellt und konsumiert wurde, haben wir aufgelistet – von der neuen Bettwäsche im Gästehaus über die Hefe in der Bäckerei bis hin zum Diesel für die Landwirtschaft“, konkretisiert Pater Maximilian. Die Firma Greenzero hat dann für jeden einzelnen Faktor die Umweltwirkung berechnet, also Treibhaus¬, Versauerungs- und Eutrophierungspotential, photochemisches Ozonbildungs- und Ozonabbaupotential sowie Wasserverbrauch.

Für den Konvent mit 80 Mönchen haben fünf Mitbrüder 14 Tage lang exemplarisch ihren Alltag getrackt: Bruder Jan-Nepomuk war mit 28 Jahren der Jüngste, Pater Placidus mit 90 der Älteste. Jeden Schritt und jede Mahlzeit haben die fünf in eine App eingetragen, Wasser- und Energieverbräuche wurden aus der Jahresabrechnung umgelegt. In täglichen Challenges wurden Kleidungsstücke gezählt und alle bisherigen Reisen aufgelistet. Bei den elektronischen Geräten wurde es zuweilen schwierig, denn: Wem gehört denn das TV-Gerät im Gemeinschaftstraum?
„Auf individueller Ebene erweisen sich der einfache Lebensstil und das Leben in Gemeinschaft als vorteilhaft“, so Pater Maximilian. Positiv zu Buche schlagen die Ernährung mit fleischfreien Tagen, Resteverwertung und vielen regionalen Produkten sowie die konsequente Nutzung der Elektromobilität. Nachteilig sind die großen Flächen für Gemeinschaftsräume und Kirche. Summa summarum liegt der CO2-Fußabdruck der Mönche bei nur der Hälfte des Durchschnittsdeutschen. „Damit stehen wir schon gut da, es ist aber immer noch doppelt so hoch wie wir im Hinblick auf die Belastungsfähigkeit der Erde emittieren dürften“, ordnet Pater Maximilian ein.

Auch für die Klosterbetriebe fällt die Ökobilanz insgesamt positiv aus, vor allem Gästehaus und Egbert-Gymnasium punkten mit wenig Abfall, kurzen Wegen und regionalen Produkten, der Energiesektor ist erwartbar vorbildlich. Hotspots mit eher hohen Emissionen sind Landwirtschaft, Druckerei und Fair-Handel. „Die Ergebnisse bringen uns zum Nachdenken, zwingen uns aber nicht zu überstürztem Handeln“, sagt Pater Maximilian, denn: „Patentlösungen gibt es nicht.“ Würde man etwa die Druckerei schließen und die Druckaufträge nach außen geben, sei das Problem „nur ausgelagert“. Stattdessen nehmen die Mönche bewusst Einfluss auf die Produktionsbedingungen: So wurde im Zuge der EMAS-Zertifizierung bereits der Chemikalien-Einsatz auf null reduziert und der Anteil an Recyclingpapier verdoppelt. Auch Fairhandel und Missionsprokura als Herzstück der Missionsbenediktiner verändern sich: Zwar werden nach wie vor Waren aus der ganzen Welt nach Deutschland verschifft, die wichtigste Hilfe liegt aber in der Finanzierung von Projekten vor Ort. Vor einer Dilemma-Situation steht man in der Landwirtschaft, die mit Ackerbau, Rindermast und Biogasanlage sehr komplex aufgestellt ist. „Stellen wir auf Bio um, bedeutet das auch, dass wir biologisch angebaute Feldfrüchte in die Biogasanlage werfen müssen“, so Pater Maximilian.
Zu den wesentlichen Punkten gehört für ihn ein waches Bewusstsein für die vielen Wechsel¬wirkungen, eine grundlegende Änderung des Lebensstils und konsequentes Energiesparen. Um Schwachstellen künftig rascher zu erkennen, haben alle Betreibe einen Öko-Beauftragten benannt, der ganz im Geiste Benedikts auf den Schutz der Schöpfung achtet. Die schnellste Rückmeldung kam übrigens von den Mitarbeiterinnen aus der Wäscherei, die ihre Heizung direkt um drei Grad senken ließen.

Anja Legge